Grand Tour

Auch in Dessau-Roßlau versuchen Rechtsextreme, Erinnerungsorte zu besetzen und die Stadt zu spalten. Dass sie damit keinen Erfolg haben, liegt an starken Netzwerken vor Ort. Eine Charta der Toleranz bündelt nun ihre Überzeugungen. Jedes Jahr aufs Neue rufen rechte Kameradschaften zum Gedenken an die Dessauer Bombennacht vom 7. März 1945 auf, um diesen Tag für ihre politischen Zwecke zu instrumentalisieren. In diesem Jahr standen 80 Neonazis rund 2.500 Dessauerinnen und Dessauer gegenüber, die eine „Menschenkette für Frieden und Toleranz“ bildeten. Dass diese und andere kreative Aktionen stattfinden, hat mit der Engagierten Stadt zu tun. Die beim AWO Kreis- verband angesiedelte Koordinierungsstelle öffnete regelmäßig ihre Türen und war gemeinsam etwa mit dem Netzwerk „GELEBTE DEMOKRATIE“ Treiber vielfältiger Protestaktionen. Daniel Kutsche, bis Ende 2017 Koordina- tor der Engagierten Stadt, beschreibt seine Rolle so: „In Dessau ging es weniger darum, ein weiteres Netzwerk aufzubauen, als darum, die bestehenden Netzwerke zusammenzubringen.“ Genau das passierte. Um das Selbstverständnis der engagierten Bürgerinnen und Bürger sichtbar zu machen, entwickelten Dessauer Netzwerke, darunter die Engagierte Stadt und GELEBTE DEMOKRATIE, eine „Charta der Toleranz“. In einem mehrjährigen Prozess erarbeiteten Bürgerinnen und Bürger ein Dokument, das den Wunsch der Mehrheit nach einem friedvollen, offenen und respektvollen Zusammenleben formuliert. Es fanden Treffen und Workshops bei der Engagierten Stadt statt, bei denen etwa die Idee zu einer Postkarte entstand, auf der jedermann den Satz „Toleranz bedeutet für mich ...“ vervollständigen konnte. Sie wurde in der ganzen Stadt verteilt, 850 Einsendungen gingen ein. In vier Grundsätzen zeichnet die Charta der Toleranz die Vision einer weltoffenen und engagierten Stadt, die für ein respektvolles Miteinander eintritt. Sie fordert dazu auf, die Menschenwürde zu bewahren, Ver- antwortung füreinander zu übernehmen und die Lebensqualität aktiv mitzugestalten. Nach dem Ende des Programms Engagierte Stadt in Dessau will der neue Verein „Projektschmiede Dessau e. V.“ von Daniel Kutsche die Netzwerke weiterhin mit Leben füllen und sucht weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter sowie Unterzeichnerinnen und Unterzeichner für die Charta. 1.000 sollen es bis Ende des Jahres werden. Die Mitmach-Charta Eine Postkarten-Aktion rief die Dessauerinnen und Dessauer zum Mitmachen auf. Dessau-Roßlau Demokratie und Beteiligung | 21

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