Grand Tour

Im Fußball spielen sie Bundesliga – im Sozialen wollen sie in die Champions League Wie gut sich Angela Merkel mit sorgenden Gemeinschaften auskennt, ist nicht überliefert. Was sie bei ihrem Besuch in Heidenheim hörte, dürfte die Bundeskanzlerin auf jeden Fall überrascht haben. Die Stadt an der Brenz will sich mithilfe des Programms Engagierte Stadt zum sozialen Leuchtturm entwickeln. Und dabei spielen aktive Nachbarschaften die entscheidende Rolle. Großkuchen, Mittelrain und Zanger Berg – so heißen die drei Pilotquartiere, in denen das lokale Netzwerk der Engagierten Stadt Heidenheim systematisch sorgende Gemeinschaften entwickelt. Das Besondere: Die drei Stadtteile unterscheiden sich stark in ihrer Sozialstruktur und haben jeweils ganz eigene Erfordernisse. Großku- chen ist ein Dorf. Mobilität und Versorgung sind hier die Herausforderungen. In dem an die Heidenheimer Innen- stadt angrenzenden, gutbürgerlichen Mittelrain ist das Engagement von und für ältere Menschen ein Thema, während in Zanger Berg mit einem relativ hohen Migrantenanteil neue Möglichkeiten der Begegnung gefragt sind. Einige Zwischenergebnisse vorab: Ein gemeinsamer Mittagstisch für Ältere, Büchertauschregale in den Straßen, ein Wochenmarkt, der sich zum Ort der Kommunikation entwickelt hat, eine Begegnungsstätte, die der dort bis- lang dominierende Rentner- und Seniorenclub jetzt auch für Schulen und Kindergärten öffnet. Die Zwischen­ bilanz kann sich sehen lassen. „Vieles fühlt sich bei uns jetzt anders an“, resümiert Dorothee Raspel, bei der als städtische Ehrenamtskoordina- torin die Fäden bis vor Kurzem zusammenliefen. Träger des Programms Engagierte Stadt ist der Verein „Haus der Familie – Familienbildungsstätte Heidenheim“. Die sehr enge Zusammenarbeit zwischen dem Verein und der Stadt ist das Erfolgsrezept. Das bestätigen auch Raspels Nachfolgerin Brigitte Weber und Evi Lattermann, die Projektkoordinatorin beim Haus der Familie. Der wirkliche Durchbruch ist aber jenseits der zuvor genannten Projekte gelungen. Unter dem Titel „In guter Nachbarschaft“ ist in den drei Pilotquartieren mithilfe des Programms Engagierte Stadt eine verbindliche Nachbarschaftshilfe entstanden, wie sie andernorts unter dem Begriff Seniorengenossenschaft zu finden ist: Wer Hilfe braucht, meldet sich bei einer eigens eingerichteten Zentrale. Von dort aus werden Ehrenamtliche vermittelt, die beispielsweise ältere Menschen ganz bedarfsgerecht in Alltagssituationen unterstützen. Die Besonderheit in Heidenheim: Das Modell wird neben der Stadt von 14 weiteren Insti- tutionen getragen – darunter Wohlfahrtsverbände ebenso wie Unternehmen. Der ortsan- sässige Medizinprodukte-Gigant Hartmann ist ebenso dabei wie das Warenhaus und die Wohnungsbaugenossenschaft. Alle bringen per Kooperationsvereinbarung Leistungen in die gemeinsame Initiative ein, seien es Geld, Zeit, Personal oder Sachmittel. Einen Verein wollte keiner der Beteiligten dafür gründen. Gemeinsames Handeln geht auch so. Nächstes Ziel ist die Ausweitung von „In guter Nachbarschaft“ in alle Winkel der Stadt. Dass Oberbürgermeister Bernhard Ilg dabei vorwegmarschiert, war wichtig für diesen Erfolg. Ilg hat allerhand vorzuweisen, wenn er hohen Besuchern seine Stadt präsentiert: eigene Opernfestspiele, einen Fußball-Bundesligisten, eine Hochschule. Ungewöhnlich für eine 50.000-Einwohner-Stadt. Die Renovierung eines Stadtteil- treffs kann auch Spaß machen. Heidenheims höhere Ziele Evi Lattermann Heidenheim 38 | Nachbarschaft

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