Grand Tour

Noch vor wenigen Jahren brauchte man eine Menge Fantasie, um sich vorzustellen, dass aus der herunterge- kommenen Kaufhalle in Ribnitz-Damgarten einmal der lebendige Mittelpunkt der ganzen Nachbarschaft wer- den sollte. Juliane Hecht-Pautzke hatte diese Fantasie, dazu die nötige Beharrlichkeit und Vernetzung vor Ort. Die Mitarbeiterin der gemeinnützigen JAM GmbH, eine freie Trägerin der Jugendhilfe, warb und argumentierte jahrelang, bis sie Kommunalpolitiker und Stadtverwaltung überzeugen konnte, dass aus der ehemaligen Kaufhalle ein Ort werden muss, der allen Ribnitzerinnen und Ribnitzern offensteht, der ein Anker für Kinder und Jugendliche ist und auf vielfältige Weise Engagement ermöglicht. „Das Programm Engagierte Stadt war damals das entschei- dende Argument für die Stadt, sich für ein Begegnungszentrum einzusetzen, das das Engagement der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt stellt. Die gemeinsame Arbeit an dem Antrag hat uns ein ganz neues Standing verschafft. Es war das richtige Programm zur richtigen Zeit!“, erinnert sich Juliane Hecht-Pautzke. Alles unter einem Dach Aus der Arbeit in der Jugendhilfe wusste Juliane Hecht-Pautzke: Was Engagierten häufig fehlt, sind schlicht Arbeitsräume, ein wenig Technik oder auch ein abschließbarer Schrank. Dann ist vielfach die Handbremse gelöst und das Pro- jekt kann durchstarten. Seit Ende 2016 nun gibt es diesen Ort. In dem Flachbau, eingerahmt von Plattenbauten, treffen sich Vereine, Initiativen oder auch Einzel- personen und nutzen die Räume für ihre Arbeit. Zusätzlich verbringen Kinder und Jugendliche der benachbarten Schulen hier ihre Freizeit. Teil des Gesamt- konzepts ist schließlich die Servicestelle Ehrenamt, die Bürger in Engagement vermittelt und eine Ehrenamtsmesse organisiert. Alle Fäden laufen bei Juliane Hecht-Pautzke zusammen, die die Servicestelle leitet, Raumbuchungen koordi- niert und Ansprechpartnerin für die Engagierten ist. Zwei von ihnen sind Ines Rosenfeldt und Irmhild Hübner. Vater und Bruder von Ines Rosenfeldt waren an Demenz erkrankt. Beide Frauen haben sich zu ehren- amtlichen Demenzbetreuerinnen weitergebildet und standen eines Tages im Atrium des Begegnungszentrums. Ihre Idee: Angehörige von Demenzerkrankten entlasten, indem sie einmal in der Woche die Betreuung übernehmen. Seit Oktober 2016 gibt es den Helferkreis „Zeitlos“. Jeden Donnerstagmittag machen Ines Rosenfeldt und Irmhild Hübner Bewegungsspiele mit den Erkrankten, singen mit ihnen, lösen Rätsel oder unternehmen Ausflüge. Und da das Begegnungszentrum tatsächlich und tagtäglich neue Kontakte stiftet, lernte die Gruppe hier Schülerinnen und Schüler aus dem Jugendklub im Erdgeschoss kennen. Es dauerte nicht lange, da tat man sich für eine Faschingsfeier zusammen. Weil das so gut klappte, treffen sich die Generationen inzwischen einmal im Monat zu einem gemeinsamen Nachmittag. Für die Macherinnen des Helferkreises ist klar: „Ohne das Begegnungszentrum würde es die Gruppe nicht geben – und auch nicht den tollen Austausch mit den Jugendlichen. Hier im Begegnungszentrum werden wir nicht bloß geduldet, sondern sind wirklich willkommen.“ Juliane Hecht-Pautzke übt sich derweil in Pragmatismus: „Wir sehen uns vor allem als Ermöglicher, räumen Steine aus dem Weg und setzen dann auf die Selbstständigkeit der Ribnitz-Damgartener.“ Und was bringt die Zukunft? Der Oberbürgermeister und die Stadtverwaltung jedenfalls wissen längst, dass das Experiment geglückt ist, und sind die größten Fürsprecher des neuen Bürgerzentrums geworden. Von der Kaufhalle zum Begegnungszentrum JAM GmbH Ribnitz-Damgarten Strategie & Netzwerke | 55

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