Grand Tour

Auch Neubürger mit deutschem Pass und Geld sind eine Aufgabe Zuwandernde Menschen kommen aus Krisengebieten, haben kein Geld, keinen Job und können die Sprache nicht. Wer sagt das eigentlich? Integration kann auch eine ganz andere Seite haben. Und auch die ist durchaus herausfordernd. Beate Haas-Heinrich hat es in Cuxhaven mit Zuwanderern zu tun, denen weder der deutsche Pass noch das nötige Kleingeld fehlen. Rund 1.000 Beschäftigte will der Siemens-Konzern bis Ende 2018 in seinem neuen Werk im Seebad zwischen Elbe- und Wesermündung einstellen. Es sind Ingenieure, Facharbeiter, Manager. 260 von ihnen sind schon da. Sie werden Anlagen für einen großen Offshorewindpark in der Nordsee bauen. Cuxhaven zählt zu den Gewinnern der Energiewende. „Neue Einwohner sind aber noch längst keine neuen Bürger“, weiß Beate Haas-Heinrich. Sie leitet die Freiwilligen- agentur und hat das Programm Engagierte Stadt an die Küste geholt. Ein Ziel der Engagierten Stadt Cuxhaven ist es, die Neuen einzuladen, aktiv und engagiert mitzugestalten. Das ist gar nicht so einfach wie es klingt. Integrati- onsprobleme gibt es in Zeiten zunehmender Individualisierung nicht nur am unteren Ende der sozialen Skala. Im Zuge der Engagierten Stadt hat Beate Haas-Heinrich mit ihrem Team ein ganzes Bündel an Maßnahmen geschnürt. Es gibt einen Neubürger-Kurs, in dem an sechs Abenden nicht nur Stadtführungen stattfinden, sondern auch die Engagementlandschaft vorgestellt wird. Beim Klönschnack können sich die Ankömmlinge zwanglos untereinander und mit Alteingesessenen austauschen. Bei Busfahrten im „Cuxliner“ sind neben 60 neuen Küstenbewohnern auch Engagierte aus Vereinen bis hin zum DRK und der Diakonie an Bord, die ihre Engagementangebote direkt schmackhaft machen. „Wir spüren eine Aufbruchstimmung in der Stadt. Die Hoffnung auf einen gelingenden Strukturwandel ist allent- halben spürbar“, berichtet Beate Haas-Heinrich, um gleich hinzuzufügen: „Es ist aber keineswegs selbstver- ständlich, dass sich dieser Wandel auch positiv auf den Zusammenhalt in der Zivilgesellschaft auswirkt. Dafür muss man etwas tun.“ Zumal die Siemensianer nicht die einzigen sind, die zuwandern. Cuxhaven verzeichnet parallel einen erhebli- chen Zuzug betagter Menschen, die ihren Lebensabend in Deutschlands größtem Küsten-Kurort verbringen möchten. Das ist eine ganz spezielle Ausprägung des demografischen Wandels: Alterung durch Zuzug von Alten. Nicht nur für sie hat das rührige Team die „Engagement-Bank“ erfunden. Zum „Bankgespräch“ auf der in den Farben der Engagierten Stadt lackierten Sitz- bank empfängt Beate Haas-Heinrich regelmäßig engagierte Cuxhavener, um – unter Anwesenheit der lokalen Presse – über soziale Herausforderungen zu diskutieren. Neuerdings können sich Nachbarschaften so eine Bank auch fest in ihre Gegend holen und dort aufstellen. Wer sich dort niederlässt, fin- det einen QR-Code, der ihn zu den aktuellen Engagementmöglichkeiten der Cuxhavener Vereine, Verbände und Initiativen führt. Hat Cuxhaven mit seinen Neuen ein Luxusproblem? Verglichen mit sozialen Herausforderungen in anderen Regionen mag man das so sehen. Beate Haas-Heinrich würde es nie so nennen. „Isolation ist keine Frage des sozi- alen Status. Jeder, der zu uns kommt, soll die Möglichkeiten haben, Gemeinschaft aktiv mitzugestalten. Davon profitieren am Ende alle.“ Damit die Neuen fest vor Anker gehen Bankgeschäfte mal anders: Die „Engagement- Bank“ lädt zu Diskussionen ein. Maren Reese-Winne Cuxhaven 30 | Integration

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