Grand Tour

Nachbarschaft In der Stadt Weißwasser stemmen sich engagierte Bürgerinnen und Bürger Abwanderung und demografischem Wandel entgegen – allen voran Oberbürgermeister Torsten Pötzsch. Sie zeigen Verantwortung in einem Teil Deutschlands, den viele schon abgeschrieben haben. Die Stadt Braunkohletagebau und Glaswerke prägten die Industriestadt Weißwasser zur Zeit der DDR. Nach der Deutschen Einheit 1990 folgte ein wirtschaftlicher Einbruch, der sich auch in der Einwohnerzahl niederschlägt. Momentan leben rund 19.000 Menschen in der Stadt nahe der polnischen Grenze. Vor der Wende waren es fast doppelt so viele. Weißwasser leidet unter zwei zentralen Problemen: Es sterben mehr Menschen als geboren werden, und viele Junge ziehen in die Großstädte. Der Altersdurchschnitt in Weißwasser liegt bei 50,3 Jahren. Was bedeutet dies für den Alltag der Menschen? Filialen von Banken, Post, Renten- und Krankenversicherungen schließen, es herrscht Fachkräftemangel, Wohneinheiten werden abgerissen. Für Bevölkerungsstatistiker ist Weißwasser eine Typ-9-Kommune, eine stark schrumpfende Kommune mit hohem Anpassungsdruck, wie es im Wegweiser Kommune der Bertelsmann Stiftung heißt. Deutschlandweit werden 264 weitere Gemeinden so eingestuft. Fast 90 Prozent liegen in Ostdeutschland, die übrigen 10 Prozent in Schleswig- Holstein und Niedersachsen. Oberbürgermeister Torsten Pötzsch spricht dennoch von einer positiven Entwicklung: „Wenn ich die Luftbildauf- nahmen von Weißwasser aus dem Jahr 2011 mit denen von 2016 vergleiche, motiviert mich das, weil ich sehe, wie viel sich in der Stadt verändert und entwickelt hat.“ Der Oberbürgermeister Pötzsch ist seit 2010 parteiloser Oberbürgermeister von Weißwasser. „Nach einem guten Karrierestart in der Sparkasse dachte ich, dass es das doch nicht gewesen sein kann.“ Auch in der Politik wollte Pötzsch nicht alles so hinnehmen, wie es ist: Nach welchen Regeln werden Kandidatinnen und Kandidaten für Kommunalwahlen aufgestellt, wie kann man das Feld verjüngen? Ein Bürgermeister kämpft für seine Stadt Was macht ein Lebensumfeld attraktiv? Eine gute Nahversorgung, Mobilität, Kultur-, Bildungs- und Freizeitangebote, soziale Infrastruktur ... Vielerorts lässt sich so ein Paket in Zeiten des demografi- schen Wandels nur erhalten, wenn alle gemeinsam anpacken. Engagierte Städte organisieren das. Weißwasser 34 | Nachbarschaft

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