Grand Tour

Stefan Bosse, Oberbürgermeister der Stadt Kaufbeuren „Aktivismus wird schnell entlarvt“ Herr Oberbürgermeister, die Unterstützung des bürgerschaftlichen Engage- ments ist für Städte und Gemeinden eine sogenannte freiwillige Leistung. Richtig so? Mir ist eigentlich wurscht, wie das haushaltsrechtlich eingestuft ist. Wenn eine Kommune sich den Luxus leisten kann, auf eine strategische Engagementförderung zu verzichten, bitteschön. Wir in Kaufbeuren können es nicht. Sie stellen die gängige Handlungslogik auf den Kopf ... Finde ich nicht. Eine aktive und vernetzte Bürgergesellschaft ist die beste Vorsorge gegen soziale Schieflagen, die am Ende viel mehr Geld und Mühe kosten. Wie gehen Sie ran? Wir investieren in Bürgerengagement. Wir haben eine Stelle im Rathaus geschaffen, die im großen Stil bei EU, Bund, Land und Stiftungen Geld für Projekte akquiriert, die wir dann gemeinsam mit den gemeinnützigen Orga- nisationen in der Stadt umsetzen. Das hat eine unheimliche Dynamik gewonnen. Städtisches Fundraising als Engagement-Treiber? Geht es nur über das Geld? Normalerweise schreiben sich doch die Organisationen die Finger an den Anträgen wund und sind oft gar nicht dafür aufgestellt, die Förderlandschaft zu überblicken. Wir entlasten an dieser Stelle und schauen dann, was wir gemeinsam anpacken können. Dabei geht es selbstverständlich um mehr als Geld. Wir als Stadt wollen ein neues Paradigma: heraus aus der Rolle des Dienstleisters, hinein in die des Ermöglichers. Genügt dazu eine Personalstelle im Rathaus? Keineswegs. Aktivismus wird von den Bürgern schnell entlarvt. Gemeinsames Engagement muss man auf allen Ebenen ernst meinen. Einige Beispiele: Wir haben einen eigenen Haushaltstopf geschaffen, aus dem wir Pro- jekte kofinanzieren. Der Stadtjugendring bekommt 1 Million Euro pro Jahr und organisiert die Jugendarbeit samt Mittelvergabe selbst. Auch das Migrationsforum verwaltet seine Mittel aus der Stadtkasse weitgehend selbst. Wichtig ist aber vor allem, dass man die Projekte nicht isoliert betrachtet, sondern miteinander verbindet. Wir steigen in Förderprogramme nur ein, wenn es Anknüpfungspunkte zu bestehenden Engagements in Kaufbeuren gibt. Welche Rolle spielt das Programm Engagierte Stadt dabei? Wir sind auf die Engagierte Stadt aufmerksam geworden, weil das Programm Antworten auf bestehende Defizite in der Förderpolitik gibt. Der Austausch mit anderen Städten, die sich auf der gleichen Reise befinden, bringt uns einen weiteren Schritt voran. Zwischenstopp bei Jörg Farys Kaufbeuren Strategie & Netzwerke | 49

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