Manch einer macht sich gar keine Gedanken darüber, weil alles so selbstverständlich ist. Aber wenn es die Menschen nicht gäbe, die sich in unserer Stadt engagieren, die Angebote für Sport und Spiel, Kultur und Natur, Gesang und Gesundheit und für vieles mehr schaffen, dann wäre es öde, würde ein großer Teil des gesellschaftlichen Lebens nicht existieren. Ohne daran zu verdienen, schaffen sie in weit mehr als 300 Einrichtungen und Vereinen in ganz unterschiedlicher und vielfältiger Weise ein großes und enorm wertvolles Stück Lebensqualität für die Gemeinschaft. Das verbindet all diese Engagierten, aber auch so manche Frage, manches praktische Problem. Die Initiative „Engagierte Stadt“, in Bocholt wie in 49 weiteren deutschen Städten gestartet, setzt hier an, schafft Verbindungen, baut neue Brücken. Etwa in Sachen Bildung und Qualifizierung.
Eine Art „Freiwilligen-Akademie“ soll im Verbund mit bestehenden Bildungseinrichtungen Hilfestellung zum Beispiel beim Thema Öffentlichkeit und Nutzung neuer Medien geben. Eine städtische Internet-Seite soll entstehen, auf der man ein möglichst breites Spektrum von Engagement und Aktivitäten findet und zugleich Hinweise, die Angebote zu nutzen, Kontakt aufzunehmen, sich selbst einzubringen. Und auch eine ganz neue Basis der Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlich Engagierten und Wirtschaftsunternehmen ist angedacht. Seit dem Projekt-Start zu Jahresbeginn, bei dem in verschiedenen Bereichen engagierte Bocholterinnen und Bocholter zusammenkamen, haben vier – weiterhin für Interessenten offene – Arbeitsgruppen Ziele definiert und erste Schritte dahin eingeleitet. Sie betreffen die Bereiche Bildung und Qualifizierung, Zusammenarbeit von Vereinen und Einrichtungen mit Unternehmen und Dienstleistern, Öffentlichkeitsarbeit sowie Nachwuchsgewinnung.
Das klassische Bild vom Bittsteller auf der einen und dem großherzigen Sponsor auf der anderen Seite soll nach den Vorstellungen der Arbeitsgruppe „Vereine und Wirtschaft“ abgelöst werden durch ein Modell einer auf gegenseitiger Unterstützung beruhenden Partnerschaft. Die einseitige Überlegung „Wie kann ich Gelder rekrutieren?“ soll der gemeinsamen Fragestellung „Wie können wir voneinander profitieren?“ weichen – mit dem Ziel eines Leistungsaustausches, der nicht unbedingt in Euro und Cent, sondern auch in Dienst- und Sachleistungen oder ideeller Hilfestellung erfolgen kann. Vereine oder andere Einrichtungen wären dann gefordert, kreativ zu sein, sich in neuer Form Gedanken zu machen, welche Angebote sie unterbreiten könnten. Ein Lerneffekt für sie wie auch für die Unternehmen, wie Rainer Howestädt, Ehrenamt-Koordinator der Stadt, sagt. Vielleicht könnte es zu einem Austausch auf einem „Marktplatz“ kommen – ein bislang nur in größeren Städten erfolgreich durchgeführtes methodisches Modell der organisierten Vermittlung zwischen beiden Seiten.
Ein aktueller Aufgabenbereich ist für viele Einrichtungen die Nachwuchsgewinnung. An mehreren Bocholter Schulen gibt es bereits Schülerinnen und Schüler, die sich ehrenamtlich engagieren, aber Faktoren wie zunehmender Nachmittagsunterricht erschweren ein solches Engagement. Im Rahmen einer Netzwerk-Veranstaltung im Herbst mit Vereinen und Schulen, inklusive berufliche Schulen und Fachhochschule, sollen die Situation und Möglichkeiten einer Intensivierung beleuchtet werden. Diskussionspunkte könnten dabei etwa die Vergabe von Zertifikaten und die Schaffung finanzieller Anreize sein.
Demnächst wird ein Fragebogen an alle Vereine und Einrichtungen versandt, in dem unter anderem danach gefragt wird, welchen Bedarf an Schulungsangeboten es gibt, welches Know-how jeweils vorhanden ist, das auch andere Einrichtungen nutzen könnten, ob Interesse an einer „Marktkplatz“-Aktion mit Unternehmen und einer Veranstaltung zur Nachwuchs-Thematik besteht. In einem handlichen Flyer wird die Initiative „Engagierte Stadt“ kurz und übersichtlich vorgestellt.
Von Agnes Wellkamp.