Die Engagierte Stadt feiert zehn Jahre Netzwerkarbeit – herzlichen Glückwunsch zu einem Jahrzehnt voller gelebtem Miteinander! Seit 2015 stärkt das Programm Städte bei der Entwicklung von tragfähigen Strukturen für bürgerschaftliches Engagement und gesellschaftliche Teilhabe vor Ort. In inzwischen 112 Städten arbeiten Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung und Wirtschaft gemeinsam an einer lebendigen Engagementlandschaft. Doch was ist mit den ländlichen Regionen? Hier setzt das Schwesterprogramm Engagiertes Land an.

Engagiertes Land – eine starke Gemeinschaft für den ländlichen Raum
Engagement in ländlichen Räumen funktioniert anders als in der Stadt: Viele Dörfer leben von einem starken Gemeinschaftsgeist – getragen von Vereinen, Nachbarschaftshilfen und einem meist unsichtbaren, informellen Engagement. Dieses lebendige Miteinander ist eine tragende Säule des dörflichen Lebens. Doch genau diese Strukturen geraten zunehmend unter Druck, vor allem in ländlichen und strukturschwachen Regionen. Der demografische Wandel, fehlende Sichtbarkeit, politische Unsicherheiten und knappe Ressourcen stellen viele Engagierte vor große Herausforderungen.
Gerade darum setzt das Programm Engagiertes Land bewusst auf die Stärkung von Beziehungen zwischen Akteuren in Netzwerken, denn so sind fünf Dinge möglich:
- Gemeinsame Ideen und Ressourcen bündeln
Gerade in strukturschwachen ländlichen Regionen entsteht Wirkung, wenn Vereine, Initiativen, Verwaltung und Wirtschaft zusammenarbeiten. Durch Netzwerke werden Kompetenzen und Kräfte gebündelt – und Projekte erreichen eine viel größere Hebelwirkung, als wenn jede Organisation für sich allein agiert.
- Vertrauen braucht Zeit
Nachhaltige Kooperation entsteht nicht über Nacht: Vertrauen, gemeinsame Routinen und verbindliche Absprachen müssen sich entwickeln. Nur so können Netzwerke auch in Krisenzeiten handlungsfähig bleiben und neue Mitglieder einbinden.
- Soziales Kapital ist entscheidend
Physische Infrastruktur (z. B. ein Dorfgemeinschaftshaus) kann nur dann lebendig genutzt werden, wenn es bereits starke Beziehungsgeflechte gibt, die Räume mit Leben füllen und gemeinsam Ideen umsetzen. - Komplementär zu anderen Förderprogrammen
Viele Programme finanzieren Infrastruktur-Projekte. Engagiertes Land ergänzt diese, indem es die Menschen hinter den Projekten stärkt – damit Infrastruktur überhaupt sinnvoll genutzt und langfristig gepflegt wird.
- Skalierbare Wirkung
Ein gut funktionierendes Netzwerk kann über seine Mitglieder hinaus Wissen, Best Practices und Motivation multiplizieren. So wachsen Engagementkulturen organisch und nachhaltig. BMFSFJ, 2024: Einsamkeitsbarometer 2024.
Durch den Fokus auf Beziehungen investiert das Engagierte Land in die tragfähigste Basis, auf der im ländlichen Raum neue, lebendige Strukturen und Infrastrukturen erst entstehen und dauerhaft wirken können.
Ins Leben gerufen wurde das Programm Engagiertes Land 2021, um gezielt auf die besonderen Rahmenbedingungen und Herausforderungen in ländlich-strukturschwachen Räumen einzugehen. Entwickelt in enger Zusammenarbeit der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE), des Thünen-Instituts für Regionalentwicklung, des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE) sowie des Programms Engagierte Stadt bietet es passgenaue Unterstützung für ehrenamtlich getragene Netzwerke in Dörfern und Kleinstädten mit weniger als 10.000 Einwohner*innen. Das Programm zeichnet sich durch seinen individuellen, praxisnahen und partizipativen Ansatz aus, der auf den Erfahrungen aus dem Programm Engagierte Stadt aufbaut. Das zentrale Prinzip: Die Netzwerke vor Ort kennen ihre Bedürfnisse und Herausforderungen am besten. Deshalb gestalten sie ihre Prozesse eigenständig – unterstützt durch die Expertise und Begleitung des Programmbündnisses. Ein lebendiges Lernumfeld entsteht durch jährliche Vernetzungstreffen, digitale Austauschformate, passgenaue Qualifizierung, Fachveranstaltungen sowie spezifische Beratungsangebote der Partner DSEE, BBE und Thünen-Institut für Regionalentwicklung. Die lokalen Netzwerke profitieren von gegenseitiger Inspiration, Wissens- und Erfahrungsaustausch und gemeinsamer Weiterentwicklung, wodurch sie ihre Wirkung nachhaltig stärken.
Wachstum durch Zusammenarbeit – die Entwicklung von Engagiertes Land
Gestartet mit 20 lokalen Netzwerken im Jahr 2021, hat sich das Engagierte Land schnell etabliert. 2022 kamen 39 weitere dazu. 2024 kamen weitere 38 Orte hinzu. Heute vereint das Programm 93 Netzwerke aus allen Bundesländern, die in ihrer Vielfalt und Eigenart einen wertvollen Beitrag zu einer höheren Lebensqualität vor Ort sowie zu einer lebendigen Demokratie leisten.
Das Programm stärkt und unterstützt diese Netzwerke nachhaltig über einen Zeitraum von bis zu 5 Jahren. Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Programmpartnern. Diese stehen den Netzwerken mit ihrer Expertise, individuellen Unterstützungsangeboten und praxisnaher Begleitung zur Seite, um nachhaltige Entwicklungen und Kooperationen vor Ort zu unterstützen und zu stärken.
Das Thünen-Institut für Regionalentwicklung unterstützt die geförderten Netzwerke mit der Landinventur und Werkstattformaten. Mit der Landinventur gelingt es, Ideen und Lösungen auf Grundlage der verfügbaren, lokalen Ressourcen zu finden. Die Erkenntnisse aus den Werkstätten dienen so der Weiterentwicklung der Netzwerkarbeit und von Projekten vor Ort. Darüber hinaus fördern die Werkstätten die regionale und überregionale Vernetzung und tragen zum Wissenstransfer zwischen den Aktiven bei. Der Austausch von Wissen findet zudem auf der digitalen Datenbank Landmaschine statt, in der das wertvolle praktische Wissen der Engagierten gesammelt wird. So entsteht ein Bild der praktischen Transformation auf dem Land.
Das BBE unterstützt das Engagierte Land gezielt mit Angeboten, die die lokale Netzwerkarbeit stärken und verstetigen. Durch das Gutscheinmodul für Prozessbegleitung werden lokale Netzwerke bei konkreten Herausforderungen wie Jugendbeteiligung, Zusammenarbeit mit der Kommune oder interner Teamentwicklung individuell begleitet – durch erfahrene Coaches, direkt vor Ort. Ein Onboarding-Programm erleichtert neuen Netzwerken den Einstieg ins Programm: Mit Workshops, digitalen Angeboten und Austauschformaten lernen die Koordinator*innen schnell, wie sie ihre Rolle wirksam ausfüllen können. Die „Lernreise Verstetigung“ bietet seit 2024 digitale Qualifizierungsangebote rund um nachhaltige Netzwerkentwicklung und Verstetigungsstrategien. Zudem bringt das BBE seine Expertise aus dem Programm Engagierte Stadt ein und schafft programmübergreifende Synergien – insbesondere in der strategischen Weiterentwicklung des Engagierten Lands.
Das Programmbüro Engagiertes Land bei der DSEE ist zentrale Anlaufstelle und Motor für alle Programmaktivitäten. Es steuert das Förderprogramm, sorgt dafür, dass Förderlinien reibungslos laufen, und passt bei Bedarf die Strategie an. Zugleich organisiert es den kontinuierlichen Austausch und die gemeinsame Lernkultur – online wie offline – und stellt sicher, dass finanzielle Mittel zielgerichtet vergeben und transparenzgerecht ausgezahlt werden. Zusätzlich baut es die Kompetenzen der Netzwerkakteur:innen über Online-Seminare systematisch aus, etwa in Moderation, Projektmanagement und Wirkungsmessung, damit zivilgesellschaftliches Engagement nachhaltig wirkt.
Das Programm wirkt. Die 2024 durchgeführte Evaluation zeigt, dass Engagiertes Land …
- Selbstorganisationsstrukturen in ländlichen Netzwerken nachhaltig stärkt,
- mit modularen Qualifizierungen entscheidend zur Kompetenzentwicklung beiträgt,
- Prozessbegleitung bedarfsorientiert und wirkungsvoll bei Konfliktlösung, Zusammenarbeit und Rollenklärung unterstützt,
- Dorf- und Zukunftswerkstätten als hilfreiche Formate für Visionsentwicklung, Status-Quo-Analyse und Motivation geschätzt werden,
- digitale Plattformen den ortsübergreifenden Wissensaustausch ermöglichen,
- und die finanzielle Förderung die Grundlage für viele Aktivitäten ist, sei es der Aufbau von geteilten Ressourcenpools, Dorfgemeinschaftsorten oder die gemeinsame Organisation von Veranstaltungen und Aktionen.
Aus der Praxis: Drei starke Netzwerke im Engagierten Land
Nordwestuckermark (Brandenburg)
Ein lebendiges Beispiel für gelungene Netzwerkarbeit ist das Netzwerk „38 unter einem Hut – Dörfernetzwerk Nordwestuckermark“. Seit der ersten Förderrunde dabei, bringt es in Kooperation mit der Bürgerstiftung Barnim Uckermark, der Gemeindeverwaltung und dem Verein Mittenmang in Fürstenwerder e.V. Menschen aus allen 38 Ortsteilen zusammen. Bei monatlichen Dorfkneipen, Beteiligungsformaten, Aktionen und einer gemeindeeigenen Zeitung wird Zukunft gemeinsam gestaltet – und die Demokratie im Alltag gestärkt.
Waldeck-Sachsenhausen (Hessen)
Das Netzwerk777 ist seit 2022 Teil von Engagiertes Land und vereint über 20 Vereine sowie den Ortsbeirat. Als formale Struktur der Engagementförderung stärkt der gemeinnützige Verein gezielt die Ortsgemeinschaft. Aktuell wird in Kooperation mit der Universität Göttingen eine Befragung zur lokalen Engagementkultur ausgewertet. Parallel entsteht ein Veranstaltungsmobil für Vereinsaktionen, und neue, vereinsübergreifende Formate erproben neue Wege der Zusammenarbeit. Das Netzwerk bringt sich zudem aktiv in kommunale Entwicklungsprozesse ein – etwa in der Verkehrs- oder Einzelhandelsplanung.
Sennfeld (Adelsheim) (Baden-Württemberg)
Ein ganz neues Netzwerk ist ELSE – Engagiertes Land Sennfeld. Erst seit 2024 dabei, hat das Netzwerk bereits viele Impulse gesetzt: Mit einem großen Dorffrühstück startete der Beteiligungsprozess, seitdem wird an Projekten gegen Einsamkeit, zur Dorfverschönerung oder für mehr Begegnung gearbeitet. Mit Erzählbänken, Kartenabenden oder gemeinschaftlichen Aktionen wie dem Dorfputz wird das Miteinander gestärkt – niedrigschwellig, herzlich, wirkungsvoll. Mit dabei im Netzwerk: der TV 1897 Sennfeld e.V., der Heimatverein Sennfeld sowie weitere Vereine der Dorfgemeinschaft. Fazit
Gemeinsam für starke Engagement-Strukturen – auch in Zukunft
Die letzten zehn Jahre haben eindrucksvoll gezeigt, wie viel Wirkung langfristige Netzwerkarbeit entfalten kann. Mit Engagiertes Land wurde dieses Erfolgsmodell in den ländlichen Raum übertragen – mit mittlerweile fast 100 Netzwerken bundesweit. Die kommenden Jahre bieten die große Chance, diese Entwicklung zu verstetigen und die strukturelle Unterstützung für Engagement im ländlichen Raum weiter auszubauen.
Und das am besten gemeinsam: Mit der Engagierten Stadt an der Seite entstehen zunehmend programmübergreifende Kooperationen, etwa zwischen Engagierten Städten und umliegenden Orten aus dem Engagierten Land, die gemeinsam Projekte initiieren oder sich in ihren Herausforderungen gegenseitig stärken. Denn eines ist klar: Engagement braucht starke Netzwerke. Und genau die schaffen wir – gemeinsam.
Autorinnen:
Mareike Jung ist Referentin für die Projekte Engagiertes Land und Engagierte Stadt im BBE. Durch ihre Rolle an der Schnittstelle beider Programme gestaltet sie aktiv Synergien, fördert den ko-kreativen Austausch und treibt die programmübergreifende Zusammenarbeit gezielt voran.
Susann Plant begleitet über das Programmbüro Engagiertes Land bei der DSEE lokale Partnerschaften dabei nachhaltige Engagement-Netzwerke aufzubauen, in denen Akteure aus Vereinen, Politik und Verwaltung sowie der lokalen Wirtschaft gemeinsam an Lösungen für ihre Region arbeiten.
Kontakt: ed.e-b-b@gnuj.ekieram