Das Netzwerk „über Zaun und Grenze“ lud Ehrenamtliche aus den Unterstützerkreisen Asyl des Landkreises in das Katholische Pfarrzentrum nach Neustadt a.d. Aisch ein. Nahost-Experte Ralf Bolz thematisierte kulturelle Unterschiede zwischen Deutschen und Menschen aus dem Nahen Osten und beseitigte Unsicherheiten im Umgang miteinander.
„Essen Sie den Teller nie ganz leer, wenn Sie bei einer syrischen Familie eingeladen sind. Er wird ihnen immer wieder aufgefüllt. Erst ein Rest signalisiert deutlich, dass Sie satt sind.“, klärt Ralf Bolz über die Gepflogenheiten am Tisch eines syrischen Gastgebers auf. Über 90 Ehrenamtliche füllen das Katholische Pfarrzentrum in Neustadt a.d. Aisch bis auf den letzten Platz und lauschen aufmerksam den Ausführungen. Ralf Bolz hat lange Zeit in Algerien und Syrien gelebt und ist sowohl mit der Sprache als auch mit der dortigen Kultur, den Denkweisen und Lebensgewohnheiten vertraut.
Bolz macht deutlich, dass beim Einsatz von Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe zum Teil Welten aufeinanderprallen. Denn während im Westen eine individualistisch geprägte Gesellschaft vorherrscht, misst man im Nahen Osten der Familie und dem Kollektiv höchste Bedeutung zu. Während wir uns vorwiegend auf das gesprochene Wort verlassen, wiegt im Nahen Osten die Körpersprache mehr als das Gesagte. Während wir eher sparsam und reserviert in Bezug auf Körperkontakt im Umgang miteinander sind, ist im Nahen Osten ein intensiver Körperkontakt zwischen Männern und gegenüber Kindern ganz natürlich und wird als Ausdruck der Freundschaft und Herzlichkeit gesehen.
Ein schwieriges und sehr sensibles Thema sei außerdem das ausgeprägte Schamgefühl vieler Menschen aus dem Nahen Osten, so Bolz. Film und Fernsehen der westlichen Welt wetteifern fast darum, permanent, sämtliche Tabus zu brechen. Bei einer Einladung ins Kino sollte also darauf geachtet werden, Filme mit allzu freizügigen Szenen zu meiden, um niemanden in Verlegenheit zu bringen. Bolz spricht unter anderem davon, dass im Orient die Angst vor Hunden weitverbreitet und das Radfahren für Frauen unüblich sei. Er weist darauf hin, dass nur wenige Menschen schwimmen können, dass das Tragen angemessener Kleidung wichtig sei und dass den Müttern höchste Wertschätzung entgegengebracht würde.
Insgesamt sei ein Grundverständnis für unterschiedliche Verhaltensweisen sowohl auf Seiten der Helfer als auch auf Seiten der Flüchtlinge unerlässlich. Offenheit und Toleranz, aber auch die Bereitschafft voneinander zu lernen bilde die Basis einer erfolgreichen Integration. So sollten Helfer und Unterstützer bestimmte Empfindsamkeiten der Flüchtlinge achten, gleichzeitig jedoch diese mit den eignen Werten, Gebräuchen und Gepflogenheiten vertraut machen.
Eine Gelegenheit sich ein Stück näher zu kommen, bietet das „Begegnungsfest über Zaun und Grenze“ am 7. Mai. Dazu laden integra e. V. und das Freiwilligenzentrum mit „über Zaun und Grenze“ von 10 bis 17 Uhr in die NeuStadtHalle ein. Dort kann man sich über Flüchtlings- und Nachbarschaftshilfen im Landkreis informieren, mit lokalen Politikern und Fachvertretern diskutieren, mit Ehrenamtlichen ins Gespräch kommen, internationale Spezialitäten genießen und gemeinsam feiern.
Von Anja Haverkock, Prozessmanagerin „über Zaun und Grenze“, Neustadt / Aisch